00:00:00: Wir machen Videocalls, das ist tatsächlich mit ein bisschen Verzögerung und der Astronaut
00:00:05: sieht uns nicht.
00:00:06: Aber wir sehen den Astronauten, die hängen an uns extra in die Kamera hin, dann haben
00:00:09: wir auch Ton, die haben ja quasi Mikro, dass sie immer reinsprechen und dann sitzen wir
00:00:13: da meistens zwei Sportwissenschaftler, einen Physiotherapeut und wenn wir kriegen noch
00:00:17: einen Arzt und dann gucken wir zu fit diesen Astronauten zu, was er da macht und dann geben
00:00:22: wir Tipps und Hinweise, bitte macht das so und so, bitte macht das so und so, passt bitte
00:00:26: da und da drauf auf.
00:00:30: Let's get physical, die Physiotherapie muss heute wieder dahin, wo die Menschen sind.
00:00:36: Mein Name ist Nils Hay und ich präsentiere euch wieder Frischluft, dem PT Podcast für
00:00:41: Physiotherapeuten, sponsored by Optadata und ich habe heute eine Dame zu Gast, die ist
00:00:46: extra aus Köln angereist und die macht als Physiotherapeutin was ganz besonderes, die
00:00:51: trainiert nämlich die Astronauten der ESA, der European Space Agency.
00:00:55: Ihr Name ist Isabella Wiedmann und Isabella hört sich nach einer ziemlich schwerlosen
00:01:02: Karriere an, oder?
00:01:04: Da schwerlose war es nicht, er hatte ordentlich viel Abenteuer auf dem Weg dahin und eigentlich
00:01:12: war es mir ein Versehen, dass ich da gelandet bin.
00:01:15: Also du bist aus versehen Physiotherapeutin für sehr, sehr wertvolle menschliche Assets
00:01:21: in Form von Raumfahrern geworden, weil du irgendwann mal Physiotherapeutin wurdest,
00:01:25: oder?
00:01:26: Was bringt dich zur Physiotherapie?
00:01:27: Tatsächlich auch eher ein Versehen.
00:01:28: Okay, dann begeben wir es doch mal auf die Suche der Reihenfolge deiner vielen Versehen
00:01:33: im Leben.
00:01:34: Genau.
00:01:35: Also tatsächlich war es so, dass ich eigentlich nicht gedacht hatte, dass ich Physiotherapeutin
00:01:40: werde.
00:01:41: Ich habe ganz klassisch meinen Berufsweg oder mein Ausbildungsweg mit Realschule gestartet
00:01:48: und habe dann festgestellt, Mensch, Raumfahrt, das interessiert mich, ich möchte gerne Astrophysik
00:01:52: machen.
00:01:53: Ich habe mir dann gedacht, ja, Astrophysik kann es beim Realschuleabschluss nicht machen
00:01:57: und bin dann nochmal aufs Gymnasium gegangen und habe dann aber parallel meine Karriere
00:02:01: im Rettungsdienst gestartet, habe meine erste Rettungsdienstausbildung parallel dazu laufen
00:02:07: lassen, um dann festzustellen, Mensch, Medizin ist eigentlich auch ganz cool, muss natürlich
00:02:11: sagen, ich bin älterlich ein bisschen vorbelastet, meine Mutter ist Altenpflegerin und ja, so
00:02:18: mein tägliches gute Nachtbuch war, der Gesundheitsproghaus über viele Jahre hinweg, nebst den IEEE
00:02:25: Zeitschriften meines Vaters, der gesagt hat, Engisch kannst du nicht, aber Bilder gibt's
00:02:29: da ja auch drin.
00:02:31: Ja, Wahnsinn, das heißt, als Realschülerin den Aufstieg geschafft, den Berühmten?
00:02:37: Ja, ich habe dann tatsächlich in der Realschule, habe ich verschiedene Praktikars gemacht und
00:02:41: habe festgestellt, das lastet mich noch nicht so aus und ich brauche ein bisschen mehr und
00:02:46: habe dann ja hier in Giesing den Weg bis zum Abitur gemacht und mir fehlte da so ein bisschen
00:02:53: was im NC, damals war die Medizin noch sehr stark mit NC besetzt und dann hat mir ein
00:03:00: Kollege aus dem Rettungsdienst gesagt, Mensch, probier's doch mit der Physiotherapie und
00:03:03: habe ich gesagt, ja gut, ich mach das so, ich reiche mal weiter meine Bewerbungen ein und
00:03:08: habe dann gesagt, das erste was kommt nämlich, das war die Physiotherapie.
00:03:11: Und was mit der Astrophysik geworden?
00:03:13: Ja, das ist leider auf der Strecke geblieben, aber ich mach trotzdem noch total gern Physik.
00:03:18: Also das heißt, das nicht gemachte Medizinstudium kombiniert mit dem Interesse an der Astrophysik
00:03:23: ist es deine Physiotherapie, Rache an der ESA oder wie lebst du das aus?
00:03:28: Nein, also tatsächlich ist es so, dass ich ja eigentlich im Gymnasium meine Fächer und
00:03:34: auch auf der Realschule immer naturistenschaftlich kombiniert hatte, also technisch zeichenden,
00:03:38: Mathe, Physik, Chemie und dass man dann in den medizinischen Bereich geht, ist eigentlich
00:03:42: eher ungewöhnlich.
00:03:43: Und ich habe mich aber hingesetzt und habe gesagt, Mensch, du hast so viele Talente, so
00:03:47: viele Dinge, die du eigentlich gerne in deinem Berufsleben ausüben möchtest, was passt
00:03:52: denn da am besten?
00:03:53: Und dann habe ich mir gedacht, ja, Physiotherapie könnte ganz gut passen, ich bin auch biomechanisch
00:03:58: total begeistert und mache das eigentlich total gerne und Rache würde ich jetzt nicht
00:04:04: sagen, sondern es war eigentlich ein langer Weg, in dem ich viele tolle Menschen gefunden
00:04:09: habe, die mich dann zum passenden Zeitpunkt immer in eine Richtung geschubst habe und
00:04:12: ich habe auf ihren Ratschlag gehört und bin dann irgendwie da gelandet.
00:04:16: Warst du eigentlich an der Schule oder hast du Physiotherapie studiert?
00:04:18: Ich habe tatsächlich beides gemacht, ich habe erst die klassische Ausbildung gemacht,
00:04:22: habe dann eine Zeit lang in Südamerika gelebt, um dann festzustellen, Mensch, die Ausbildung
00:04:26: wird dort überhaupt nicht anerkannt.
00:04:27: Ich kam dann wieder zurück, hatte damals eine Ostipatie, ein Ostipatiestudium schon gestartet
00:04:32: und habe aber noch ...
00:04:33: Und Ostiger auch noch?
00:04:34: Ostipatie habe ich auch noch gemacht.
00:04:36: Okay.
00:04:37: Ich habe dann aber festgestellt, die Gesetzeslage verändert sich gerade dahingehend, dass
00:04:42: ich nicht mehr die Ostipatie ausüben kann und habe dann gesagt, liebe Leute, ihr könnt
00:04:46: mich alle mal, ich mache jetzt Nägel mit Köpfen und habe mich dann noch mal hingesetzt
00:04:50: und das ganze Berufsbegleiten studiert, habe dann vier Semester Bachelor in Brühe gemacht,
00:04:57: habe dann einen Semester in Rostock studiert und dann noch mal vier Semester an der Deutschen
00:05:00: Sporthochschule gemacht.
00:05:01: Wow.
00:05:02: Und was hatte ich dann zur ESA gespielt?
00:05:05: Eigentlich, die Tatsache, dass ich auf den Rat meine Stikats gehört habe im Bachelorstudium,
00:05:11: der hat uns nämlich in der ersten Präsenzphase gesagt, Mensch, Leute, macht euch da schon
00:05:16: mal klar, was wollt ihr eigentlich machen mit eurem Abschluss?
00:05:19: Und ich habe das halt immer sehr ernst genommen, habe mir dann halt immer die Stellenportale
00:05:23: angeguckt und eines Tages kam es, dass ich schon so ein bisschen draubart war und bisschen
00:05:28: nicht mehr ganz so aufgepasst habe, was ich tue und wollte eigentlich für meinen Master
00:05:32: was nachgucken und habe dann meinen Tablet genommen, habe mich auf den Smart-Bed gegeben,
00:05:37: habe dann geguckt, ach so, ja, Deutsche Sporthochschule, habe Enter gedrückt und bin dann auf dem
00:05:40: Stellenportal gelandet.
00:05:41: Und das erste, was da oben stand, war die Ausschreibung, wir suchen eine Physiotherapeutin, um den
00:05:48: europäischen Astronautenchor zu betreuen, dann habe ich mir gedacht, so, ja, eigentlich
00:05:52: willst du keinen Nebenjob, bist eigentlich mit dem, was du hast gut ausgelastet.
00:05:57: Dann habe ich mir gedacht, ich habe noch nie ein englisches Bewerbungsverfahren gemacht,
00:06:01: ich bewerbe mich jetzt einfach mal drauf.
00:06:02: Aber warum haben die dich genommen?
00:06:04: Ja, ich weiß nicht, vielleicht weil sie beeindruckt waren, weil ich so viel Fragen gestellt habe
00:06:09: im Bewerbungsgespräch, weil ich bin zum dritten Mal gefragt worden, ob ich denn die Stellenausschreibung
00:06:16: nochmal haben möchte und habe dann so vor so einem Tribunal gesessen, aus so vier Personen,
00:06:23: die mich dann auch gut eineinhalb Stunden sehr intensiv in die Mange genommen haben, dann
00:06:27: auch mit Fallbeispiel und so weiter, dann haben sie mich gefragt, ob ich denn noch Fragen
00:06:30: hätte, dann habe ich mein Katalog rausgenommen und gesagt, Moment, ich habe hier noch ein
00:06:33: paar Fragen und habe dann meinerseits fast eine Stunde im Bewerbungsgespräch geführt
00:06:37: und ich glaube, das war dann möglicherweise der entscheidende Faktor oder halt tatsächlich
00:06:42: einfach die Fachkompetenz, weil ich fortbildungsmäßig einfach so ziemlich alles habe, was man als
00:06:49: Physiose sich so wünschen würde und halt da einfach auch noch dieser wissenschaftliche
00:06:53: Hintergrund mit dabei war.
00:06:54: Also könnte man allen jungen Physiotherapeutin auch sagen, was hilft, gut vorbereitet sein,
00:06:58: viele Fragen stellen und die Ausbildung immer up-to-date halten, oder?
00:07:02: Das kann man so bestätigen, ja.
00:07:03: Wie ist das eigentlich?
00:07:04: ESA heißt ja, das ist maximal international aufgestellt, oder?
00:07:07: Du sprichst mehrere Sprachen?
00:07:09: Ja, also fließen für medizinische Bereiche ist Deutsch und Englisch, das kann ich so
00:07:14: fließen, dass ich auch medizinische Vokabulare so gut drauf habe, dass das gut passt, aber
00:07:21: ich habe tatsächlich auch in Südamerika schwannisch gelernt, habe in der Schule noch französisch
00:07:25: gelernt und habe in Südamerika tatsächlich auch noch Ploditsch gelernt, das ist ein Dialekt,
00:07:30: der hier aus Deutschland vor 400 Jahren weggegangen ist und tatsächlich so ein paar sprachliche
00:07:33: Eigenheiten besitzt.
00:07:34: Wahnsinn.
00:07:35: Also super internationales Geschäft und die ESA ist ja auch ein Riesenladen.
00:07:40: Also ich meine, die haben ja, also ich weiß es hier aus Münchnersicht, haben wir ja Oberfaffenhofen,
00:07:44: wo der Forschungsflughafen ist und du bist jetzt in Köln, wie muss man sich das vorstellen?
00:07:49: Sind die Astronauten alle bei in Köln stationiert oder wie läuft das ab?
00:07:54: Ja, man musste zu sagen, also ich arbeite nicht direkt für ESA, sondern ich bin als
00:07:57: Beraterin angestellt über eine Zweitfirma und wir haben die Astronauten dort im europäischen
00:08:05: Astronautenausbildungszentrum, die sind dort, ich will nicht sagen stationiert, aber die
00:08:10: haben dort das Basic Training, das heißt die Grundausbildung für Astronauten.
00:08:13: Also alles das, was passiert, bevor die das erste Mal in ihrem Leben jetzt alle fliegen,
00:08:18: müssen die ja auch noch im Training durchlaufen.
00:08:20: Genau, also nachdem kriegen so quasi so ein Basistoolset, das heißt es sind ganz, ganz
00:08:24: hoch professionellisierte Menschen, die schon meistens haben ein Doktortitel und die sind
00:08:29: schon wirklich super, super, super in ihrer Fachrichtung aufgestellt.
00:08:33: Aber die haben vielleicht ein Wissen in Medizin, aber die wissen nicht so viel über Orbitalmechanik
00:08:38: oder Orbitalphysik und dann kommen die quasi für ein Jahr, kriegen die Unterricht als
00:08:45: Präsenz und dann lernen die ganz, ganz, ganz viele Sachen unter anderem eben auch zum
00:08:50: Beispiel die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Körper oder wo muss man von physiotherapeutischer
00:08:55: Seite auf den Körper achten, das ist also so generisch gehalten.
00:08:59: Dann machen die ihren Abschluss und dann müssen die meisten erst mal warten bis sie
00:09:05: für eine Mission assigned sind und wenn sie dann assigned sind, haben die so ein halb,
00:09:12: ein Dreiviertel bis zwei Jahre, manchmal sogar auch Länge, wo sie dann für ihre Mission
00:09:16: trainiert werden und dann wirklich missionsspezifisch ausgebildet.
00:09:20: Was müssen die denn körperlich mitbringen, um fit zu sein für so eine Raumstation?
00:09:24: Die müssen doch durchtrainiert sein bis unter die Haarspitzen, oder?
00:09:29: Nein, tatsächlich haben wir häufig Anfragen von außerhalb, wo es eben diese Fragestellung
00:09:35: gibt, so hey ihr macht ja hier Leistungssport und so weiter, nein, also unser Hauptziel
00:09:39: ist tatsächlich, den Mensch so lange gesund zu halten, wie es geht, weil die haben natürlich
00:09:44: die sogenannte Degradation, das heißt in der Schwerelosigkeit passiert ein Abbau, muskulär,
00:09:54: knochenmäßig, dann verteilt sich die Flüssigkeit im Körper anders, dann sind die anfälliger
00:09:59: für gewisse Infektionserkrankungen, dann geht das Immunsystem ein bisschen in seiner Fähigkeit,
00:10:06: Keime von außen zu begegnen runter etc.
00:10:08: Und wir gucken einfach, können die ihre Countermeasures machen, das heißt die Maßnahmen,
00:10:16: die sie brauchen, um in der Schwerelosigkeit möglichst viel von den Dingen, die verloren
00:10:20: gehen, nicht zu verlieren, dann ist es so, dass die zum Beispiel, es gibt ein Trainingsdevice,
00:10:26: das nennt sich A-Red, das ist so eine, nehm ich mal eierlegende Wollmilchsau, das ist quasi
00:10:31: ein Fitnessstudio in einem Gerät drin und dann haben die noch einen Fahrradergometer, dann
00:10:36: haben die noch ein Laufband und dann gibt es natürlich auch noch so kleine Übungen, die
00:10:41: man dann mit Thera-Bändern und so weiter macht.
00:10:43: Also die haben, die haben wir in Fitnessstudio auf der ISS?
00:10:45: Ganz genau, ja, also das ist tatsächlich auch in so einem eigenen Raum drin, da sind noch
00:10:49: die Toiletten nebenan, da dürfen wir dann immer reingucken, wenn wir dann begleiteten,
00:10:53: Sessions machen, genau, aber im Großen und Ganzen haben die quasi wie so ein Fitnessstudio,
00:10:59: das ist nicht so groß, das schaut aus wie so eine Tiefgarage, so ein Tiefgaragestellplatz,
00:11:04: da haben die dann alles rein gepackt und dann können die dieses Gerät quasi so umstellen,
00:11:08: um eigentlich alles machen zu können, um den Körper Waldesgehen fürzuhalten.
00:11:15: Was mussten du als Therapeuten da machen, ich meine, was ist die große Herausforderung
00:11:18: als Physiotherapeutin im Speziellen?
00:11:20: Ja, tatsächlich muss man als Physiotherapeut eigentlich auch so eine Eierlegende Wollmilchsau
00:11:25: sein, wenn man auf allen Gebieten irgendwie eine Expertise haben muss, also natürlich
00:11:29: haben wir, oder habe ich das Basic Training begleitet und all die Trainingsunfälle, die
00:11:34: dort passiert sind, quasi abgefangen, aufgefangen, repariert, dann geht es natürlich auch noch
00:11:39: darum, die Astronauten werden im Laufe der Zeit auch älter, wir haben jetzt zwei unterschiedliche
00:11:44: Klassen, die jetzt sind, wir haben jungen Astronauten, wir haben die Astronauten, die
00:11:47: aber schon ein bis zweimal geflogen sind, die aber vielleicht auch nochmal einen neuen
00:11:52: Flug haben wollen, wo man dann gucken muss, was brauchen die, damit sie das machen können,
00:11:59: die sind inzwischen auch tatsächlich soweit, dass die von sich aus kommen und sagen, so
00:12:04: ey, ich habe da ein Problem, können wir mal, dann habe ich noch die Situation, dass ich
00:12:09: natürlich in der laufenden Missionsvorbereitung, missionsspezifische Dinge oder auch individuelle
00:12:14: Probleme des Astronauten behandeln muss oder dann tatsächlich auch mit den Kollegen in
00:12:19: USA kommunizieren muss, um zu gucken, so was brauchen die, was können wir für die machen,
00:12:24: das müssen wir vor Ort in Infrastruktur haben, manchmal ist es so, wenn ein Astronaut nirgendwo
00:12:30: ist, wo er Unterstützung bekommt, aber gerade irgendwas Akutes hat, dann bin ich zum Beispiel
00:12:33: dabei, Remote Sessions mit denen zu machen, wenn es möglich ist, dann bin ich jetzt gerade
00:12:38: auch in mehreren Ländern aufgestellt und telefoniere mal dahin und dorthin, um die zu
00:12:42: unterstützen, um dann Online Physiotherapie zu machen und dann natürlich, wenn sie in
00:12:47: der Mission sind, begleite ich die Astronauten natürlich, wenn die mir schreiben, so ey,
00:12:51: ich habe übrigens das Problem oder mir tut da und da, was wehe oder ein Flugmediziner
00:12:55: sagt, so, wir haben jetzt gerade das Problem, kannst du mal drauf gucken oder kannst du
00:13:00: mal mit in das persönliche Gespräch gehen und dann haben wir unsere Fototv Sessions,
00:13:04: das heißt, ich mache dann Bewegungsanalyse am Gerät auf der ISS.
00:13:09: Gut, das heißt, es ist ja nicht so, dass du da hochfliegen kannst, um die zu behandeln?
00:13:13: Nein, aber ich telefoniere hin.
00:13:14: Das heißt, ihr macht Video Calls oder was?
00:13:16: Wir machen Video Calls, das ist tatsächlich mit ein bisschen Verzögerung und der Astronaut
00:13:21: sieht uns nicht, aber wir sehen den Astronauten, die hängen dann uns extra in der Kamera hin,
00:13:24: dann haben wir auch Ton, die haben wir quasi Mikro und das sie immer reinsprechen und dann
00:13:28: sitzen wir da meistens zwei Sportwissenschaftler, einen Physiotherapeut und wenn wir kriegen
00:13:33: noch einen Arzt und dann gucken wir zu viel diesen Astronauten zu, was er da macht und
00:13:37: dann geben wir Tipps und Hinweise, bitte macht das so und so, bitte macht das so und so,
00:13:41: passt bitte da und da drauf auf und manchmal ist es auch so, dass ich nochmal eine Videoanalyse
00:13:47: über zum Beispiel Laufband-Videos packe oder über Fahrrad-Ergometrie packe und gucken
00:13:54: wir das dann an und wenn sie dann zurückkommen, dann mache ich natürlich die Recondition-Phase
00:13:59: und helfe denen, dass die sich wieder mit der Schwerkraft und dem alltäglichen Leben auseinandersetzen.
00:14:04: Das heißt, du musst aber so ein bisschen hell sehen können oder was die brauchen, wenn
00:14:07: du nicht so einen komplett direkten Kontakt hast zu den Leuten?
00:14:10: Ja, also hell sehen, wir haben tatsächlich jetzt dadurch, dass wir jetzt schon so viele
00:14:15: Jahre zusammenarbeiten, kenn ich halt die Astronauten insofern schon, dass ich weiß, was sind die
00:14:21: individuellen Probleme und manchmal brauchen die auch gar nicht mit mir reden, sondern ich sehe
00:14:27: das, wenn ich den auf den Floh begegne. Manche sind aber so weit weg, dass ich die gar nicht sehe
00:14:32: und einfach gucken muss, dass sie so einen Flyby haben oder die treffe ich mal auf der Straße,
00:14:38: wenn sie halt einfach nur vorbeigehen und dann sagen sie mir so, hey, so und so ist nicht gut
00:14:42: und dann müssen wir uns wieder zusammensetzen und gucken, was können wir tun, um ihre Situation
00:14:48: zu verbessern oder so.
00:14:50: Bader Isar, du bist ja nicht alleine als Physiotherapeutin, ihr seid ein ganzes Team, wie ist das zusammengesetzt?
00:14:56: Ja, so tatsächlich, wenn man so das größere Team anguckt, dann haben wir auf der einen Seite
00:15:01: eine Arbeitsgruppe, die die Administration macht, diese ganze operative Planung, dann haben wir
00:15:06: tatsächlich ein Team, das wissenschaftlich gewisse Fragestellungen auf medizinische Art und Weise
00:15:11: begleitet, dann haben wir eine sehr große Gruppe von Flugmedizinern, ich glaube aktuell sind wir
00:15:17: neun und dann haben wir natürlich die Kollegen, mit denen ich am engsten zusammen arbeite. Ich habe
00:15:22: noch drei Sportwissenschaftler mit an meiner Seite und einen ganz, ganz, ganz tollen Stellvertreter,
00:15:27: der mich auch immer dann unterstützt, wenn ich nicht kann oder der halt auch die Kurzzeitmission
00:15:32: betreut.
00:15:33: Bist du da die einzige Frau in einer Gruppe von Männern?
00:15:37: Naja, der Frauenanteil ist nicht so groß, also tatsächlich dominiert, tatsächlich das männliche
00:15:44: Geschlecht, aber tatsächlich, muss ich ganz ehrlich sagen, ist das manchmal auch sehr angenehm,
00:15:48: weil das so herrlich unaufgerät funktioniert.
00:15:52: Hast du da so etwas wie Bereitschaft eigentlich, wenn die im All unterwegs sind und wenn deine
00:15:57: Astronauten am Fliegen sind, wie muss ich das vorstellen, klingelt da nachts das Telefon, die
00:16:02: ISS ist dran?
00:16:03: Ja, also nachts eher nicht, weil tatsächlich die ISS-Zeit nahezu synchron zur deutschen
00:16:08: Zeit ist, aber tatsächlich ist es schon doch mal so Situationen, oder kamen schon zu Situationen,
00:16:14: dass wir gerade eine Missionsvorbereitung hatten, jetzt vor zwei, drei Jahren, hat mir viele
00:16:17: Back-to-Back-Missions, das heißt, ein Crewmember war in Europa, eins war in den USA, eins war
00:16:22: auf der ISS und da gab es dann doch mal Zeiten, da bin ich dann aufgestanden und kam aus
00:16:26: dem Bad nicht mehr raus, weil alle Telefonklingeln geklingelt hatten und ich dann so, ich würde
00:16:34: ganz gerne unter die Dusche und dann können wir uns unterhalten, aber ging gerade nicht,
00:16:38: dann habe ich halt zwei Stunden später meinen Tag begonnen, genau.
00:16:41: Wie ist das im Freundeskreis, wenn die sagen, Mensch, die Isabella kann heute nicht, die
00:16:44: muss wieder mit der Raumstation telefonieren, ist das nicht irgendwie, das fühlt sich so
00:16:48: ein bisschen space-sicher?
00:16:49: Kommt nicht so häufig vor, tatsächlich, weil diese Satellitenzeit sehr kostbar ist und
00:16:54: sehr geplant ist, das ist tatsächlich eher so Telefonate, die dann unter den Kollegen
00:16:59: sind und dann hat man halt diesen einen Kollegen, der dann da die Kommunikation betreibt, also
00:17:03: wir können nicht allehin telefonieren, das geht gar nicht, sondern das geht halt dann
00:17:06: wirklich so, dass sich dann Gremien bilden, wir sitzen dann zusammen und es ist schon
00:17:11: manchmal so, dass wir sehr abgefahrene Kommunikationszeiten haben, also es gibt durchaus mal so Tage,
00:17:17: wo ich dann nach zum eins mit unserem leitenden Flugmediziner noch WhatsApp schreibe oder
00:17:20: einen Anrufe und sag so, hey, wir müssen das unbedingt so und so in die Wege leiten, aber
00:17:26: im Großen und Ganzen haben wir, also ich möchte nicht sagen Office-Hours, aber das
00:17:35: meiste bewegt sich in diesem Raum.
00:17:37: Also es ist ein tierischer Aufwand mit viel spontanem Einsatz und trotzdem arbeitest du
00:17:41: nebenbei noch ganz klassisch als Therapeutin?
00:17:44: Ja, also ich arbeite zwei Tage ganz klassisch in der Uniklinik mit Patienten, die morgens
00:17:49: geplant sind und die dann auch kommen und den ganzen Tag überdurch kommen und dann
00:17:53: habe ich noch meinen Forschungsbereich, wo ich auch noch mit 50 Prozent arbeite und
00:17:58: habe dann auch noch hier und da ein paar Patienten, die sagen, ich bräuchte mal deine Betreuung.
00:18:02: Erzähl, woran forscht du?
00:18:05: Ich arbeite gerade an dem Thema Inklusion in der Raumfahrt, hat damit angefangen, als
00:18:11: wir 2022 die neue Astronautenselektion ausgeschrieben hatten, 2021 tatsächlich sogar schon und die
00:18:18: Europäische Hornfahrt-Agentur das erste Mal gesagt hat, wir möchten einen Astronauten
00:18:22: mit Körperbeheinträchtigung einschließen.
00:18:24: Wow, wie stelle ich mir das vor, krieg ich denn bionischen Arm, also je nachdem, was
00:18:30: ist da beeinträchtigt, das ist immer die Frage.
00:18:32: Also tatsächlich hat die ESA relativ klar definierte Kriterien in den Raum gestellte, gesagt, ich
00:18:38: brauche die und die und die Sachen, ist auch nochmal nachzulesen auf der ESA Homepage,
00:18:44: da kann man dann tatsächlich suchen unter dem Fly-Visitability-Project und raus kam John
00:18:49: McFall, der jetzt auch wieder ganz klassisch, das habe ich gesehen, ja, der gestern glaube
00:18:55: ich war wieder in den Tagesthemen zu finden und der hat jetzt eine Unterschenkel-Portese,
00:19:01: Ein ehemaliger Parasprinter.
00:19:04: orthopedischer orthopedic surgeon, das heißt operativ tätiger orthopedischer kirurg,
00:19:11: es ist eine englische Bezeichnung, weiß nicht ob es was Äquivalentes in Deutschland gibt,
00:19:15: ich glaube nicht und der testet jetzt, ob er im Alp fliegen kann und hat tatsächlich eine
00:19:23: Kooperation mit Ottobock, die ihn eine sehr abgefahrene Prothese gebaut haben, die er im
00:19:28: Welteil benutzen darf. Krass, und das heißt ihr trainiert dann zusammen all das, was auch
00:19:33: diese die Disability irgendwie ausgleichen? Nein, also tatsächlich bin ich separiert davon,
00:19:38: also ich bin nochmal ein extra Projekt und beschäftige mich mit zukünftigen potentiellen
00:19:44: Selektionsverfahren, weil aktuell haben wir ein exklusives Verfahren, das heißt nach den
00:19:50: aktuellen Regeln ist es so, dass jeder, der in die Kriterien nicht rein passt, rausfliegt und da
00:19:55: gehört halt einfach Körperbehinderung mit dazu. Mein früherer Chef, der jetzt in Rente ist,
00:20:00: hat damals aber gesagt, es wäre total toll, wenn wir ein inklusives Selektionsprogramm haben,
00:20:06: dann habe ich mich halt hingesetzt, habe gesagt so, was brauchen wir denn alles für Kompetenzen,
00:20:09: was brauchen wir alles für Fähigkeiten, weil bis dato nur aufgrund der medizinischen Akte
00:20:13: kontrolliert worden ist, was müssen Astronauten können? Und ich habe halt damals gesagt, okay,
00:20:20: für mich ist das ein Herzensprojekt, ich möchte das total gerne machen. Ich habe mich jetzt über
00:20:24: fast drei Jahre damit auseinandergesetzt, was muss ein Astronaut eigentlich an körperlichen
00:20:30: Fähigkeiten eines haben, damit er für sich und für die anderen keine Gefahr ist. Ich habe
00:20:36: nachgelesen, um Astronaut zu werden muss man ja ein Verfahren durchlaufen, wo du teilweise dann
00:20:40: aus 10.000 Bewerbern wird dann einer ausgewählt. Ja, 10.000 waren es jetzt diesmal nicht, aber es
00:20:46: ist echt schwierig und es gibt eine ganze Reihe von Runden, die dann gemacht werden, wo dann
00:20:51: geguckt wird, wer ist das denn oder wer kann das denn jetzt machen? Und tatsächlich ist es keine
00:20:57: Schande aus diesem Verfahren auselegt, weil es tatsächlich eher unwahrscheinlich ist,
00:21:02: dass man die Runde bis zum Schluss gehen kann. Dennoch schafft es einer. Ja, wer muss? Wie ist das,
00:21:09: wenn wir über Inklusion reden? Also jetzt wird die Tür aufgemacht, auch Leute mit Körperbehinderung
00:21:13: und nennen wir es mal als wissenschaftlichen Test, da auch irgendwie rein zu bringen. Jetzt ist die
00:21:18: Raumfahrt allgemein ja auch gar nicht so inklusiv, oder? Ich meine, du hast ein so extrem spezielles
00:21:22: Profil, du musst, keine Ahnung, die ESA investiert, wie viel in die Ausbildung von so einem Astronauten,
00:21:29: das müssen wir nicht bezeichnen, das sind Milliarden, die in diese Programme gehen. Und du brauchst
00:21:35: Leute mit einem sehr festen Profil und die Leute müssen ja auch Zeit haben über eine Dekade oder so
00:21:40: für so ein Programm. Ja, also tatsächlich ist es schon so, dass das mit Opfern verbunden ist als
00:21:45: Astronaut. Sehr häufig kann man nicht an einem Standort bleiben, man hat quasi sehr viele
00:21:51: Zwischenstopps. Jetzt einen Astronauten, der mir gesagt hat so, ja, ich bin jetzt seit vier Monaten
00:21:58: jeden Tag an einem anderen Ort. Das ist anstrengend. Also es ist jetzt kein klassisch familienfreundlicher
00:22:04: Beruf. Es gibt ganz viele, die versuchen, Familie damit zu vereinbaren, aber das geht nur mit ganz
00:22:10: viel Netz im Hintergrund. Also da brauchst du Familie, da brauchst du Freunde, da brauchst du Oma,
00:22:17: Opa, da brauchst du nennie, sonst geht das nicht. Also du hast die Abwesenheit in der Ausbildung und
00:22:22: dann hast du ja die Raumflüge, die dauern ja teilweise bis zu sechs Monate? Möglicherweise auch
00:22:28: noch länger, wenn irgendwas dazwischen kommt. Es gibt natürlich Kurzzeitmissionen, die sind dann bis
00:22:33: zu 14 Tagen, das ist dann familienfreundlicher, aber es ist nicht so der klassische Teilzeitjob.
00:22:43: Wie ist das eigentlich, der Raumfahrer ist es eigentlich, eigentlich ist es traditionell eher
00:22:47: ein Männerberuf, gell? Ja, es ist ein Männerberuf und früher, ich habe mich ja tatsächlich auch
00:22:51: mit den früheren Selektions- oder Auswahlverfahren auseinandergesetzt, früher hat man Frauen nicht
00:22:57: zugelassen. Das ist noch nicht so lang, dass man Frauen zulässt. Zwischen Streb, man tatsächlich
00:23:03: in allen Raumfahrtagenturen ein 50/50 Schlüssel an. Das ist bei der Nase und jetzt auch bei der ESA
00:23:08: relativ gut, hat auch gut geklappt. Genau, bei den anderen Raumfahrt, Nationen, Russland, Japan,
00:23:15: Kanada, bin ich mit den Zahlen nicht ganz so vertraut, aber ich würde sagen, tendenziell Russland eher nicht.
00:23:22: Isabel, sag mal, wenn Frauen Raumfahrerinnen werden, spielt da eigentlich auch so was wie
00:23:28: zyklos basiertes Training eine Rolle? Ja, tatsächlich ist das Problem, dass wir unsere Astronauten ja
00:23:35: immer nur sehr, sehr selten sehen und die quasi so vorbeischwirren, sodass wir nicht konstant das
00:23:41: Training aufbauen können. Und man muss noch dazu sagen, dass jeder Astronaut ein individuelles
00:23:47: Training bekommt, weil jeder unterschiedliche Schwerpunkte hat, jeder in unterschiedlichen
00:23:51: Phasen der Vorbereitung ist oder vielleicht auch gerade nach der Mission ist oder vielleicht gerade
00:23:57: nicht für eine Mission assigned ist. Und deswegen sind die an ganz, ganz vielen unterschiedlichen
00:24:02: Orten und müssen teilweise auch selber dafür sorgen, dass sie ihr Training passend gestalten.
00:24:08: Von daher ist zyklos basiertes Training eher nicht so der Fall. Wenn wir auch tatsächlich auf der
00:24:13: ISS sind, ist der Zyklos eigentlich unterdrückt, weil es durch die Blutung ansonsten die Gefahr
00:24:19: gibt, weil durch die fehlende Schwerkraft geht das ja nicht nach unten, kann nicht treten, verbleibt
00:24:24: im blödsten Fall im Körper der Frau. Und deswegen ist das eigentlich unterdrückt.
00:24:28: Was heißt unterdrückt? Wie muss ich mir das vorstellen?
00:24:30: Nur es ist halt ganz klassisch mit Pille unterdrückt.
00:24:33: Also das heißt als Frau muss man also auch die Hormonkäule über sich ergehen lassen,
00:24:37: aus Sicherheitsgründen?
00:24:38: Also übergehen lassen die meisten, also kann jetzt da nicht für jeden sprechen, aber die
00:24:45: meisten nutzen das ohnehin. Und genau, also es ist tatsächlich einfach, durch den Flugelschrift
00:24:52: haben wir einfach physikalische Gegebenheiten, die jetzt unbedingt nicht passend für den
00:24:56: Zyklos gehen.
00:24:57: Du musst ein bisschen auch dann das machen, was rein vom Kalender her extern vorgegeben
00:25:04: ist.
00:25:05: Nicht nur das, sondern tatsächlich haben wir einen sehr, sehr strikten Plan, an dem sich
00:25:09: die Astronauten, die gerade im Training sind, halten müssen. Und da ist leider so, dass
00:25:16: meistens so diese körperlichen und trainingsrelevanten Dinge ganz oft hinten angestellt werden
00:25:21: werden.
00:25:22: Wenn wir tauschen jetzt gerade oder wir ändern das jetzt gerade, versuchen wir auch auf die
00:25:27: Gesundheit zu achten, weil das von den Astronauten auch selber mehr eingefordert wird. Aber
00:25:32: tatsächlich ist es eher so, wir sind glücklich, wenn wir die mal sehen, weil die einfach so
00:25:39: unendlich in der Welt herum geschickt werden.
00:25:41: Also es ist schon ein ziemlich stressiger Beruf. Also ich befürchte, ich werde kein Astronaut
00:25:47: mehr in diesem Leben, aber abgespaced die Ideen habe ich ganz gerne.
00:25:51: Sag mal, Isabella, von wem lernt man sowas eigentlich, was du da kannst und was du dir
00:25:54: aufgebaut hast? Wer bringt einem sowas bei?
00:25:58: Also tatsächlich gibt es keine Ausbildungsstudiengänge für, wie wird man Astronautenphysiotherapeut.
00:26:07: Sondern es hat tatsächlich eigentlich immer damit angefangen, dass ich mich schon immer
00:26:11: mit abgefahrenen Dingen beschäftigt habe. Also ich war schon als Kind immer total neugierig,
00:26:18: alles gelesen, was mir in die Quere kam, was war in der Physiotherapie Ausbildung auch nicht
00:26:22: anders. Alles was gedruckt war, damals gab es noch nicht so viel Internet, habe ich einfach
00:26:27: aufgesogen, habe gelesen, habe gelesen und tatsächlich habe ich von meinen Ausbildern
00:26:35: immer gezeigt bekommen, so habe keine Berührungsängste. Egal ob das jetzt mein Elternhaus war oder
00:26:45: ob das jetzt meine Ausbilder waren, habe ich mir gesagt, so, setz dich hin, guck, was ist
00:26:51: das funktionelle Problem, was ist jetzt diesem Menschen wichtig? Klassisches Clinical Resinning.
00:26:57: Wie kannst du ihn auf dem Weg begleiten? Und für meinen Astronauten habe ich gelernt,
00:27:03: jedes Problem kann man zerlegen und dann wird es schon nicht mehr so bedrohlich. Und so habe
00:27:07: ich das halt eigentlich immer gemacht. Dann war das so, dass ich auch gerne so ein bisschen
00:27:11: küftel und habe halt in den Praxen, in denen ich vorher angestellt war, ich hatte immer die
00:27:16: Patienten gekrägt, die sonst keine haben wollte, weil sie nicht dem Standard entsprachen.
00:27:19: Du hast in dem, wir haben ja ein Vorgespräch geführt und da hast du, ich habe es mal aufgeschrieben,
00:27:24: als Zitat, du hast gesagt, das absonderliche landet immer bei mir. Ja, genau, das landet immer
00:27:29: bei mir, weil ich einfach da keine Berührungsängste habe und da auch einfach keine Scheu habe mit
00:27:35: den Leuten diesen Weg zu gehen. Ich habe relativ viele Plexus-Aprispatienten, die in sehr jungen
00:27:42: Jahren quasi ihre Nerven zum Beispiel von einem Arm verloren haben, doch Unfälle meistens. Und das
00:27:50: ist tatsächlich gar nicht so sehr, dass das so ein Patienten-Therapeuten-Verhältnis ist, sondern
00:27:54: dass wir uns wirklich hingesetzt haben, ganz oft mit den Anatomiebüchern geguckt. Was hat
00:27:59: jetzt der neue Druck für ein Kabel jetzt verlegt? Was hat er jetzt rübergeleitet? Und dann ist
00:28:06: er ja auch nicht jeder klein. Also mit Kabel verlegt, meinst du? Welchen Nerv hat er jetzt
00:28:09: wo abgezweigt und umverlegt? Und was kann der dann theoretisch und genau? Also Kabel im
00:28:15: sprich, im besinnbildlichen Sinn. Genau, ja, also welcher Nerv kann theoretisch das? Man
00:28:21: hat halt festgestellt, okay, der kann die Fingerbeugung machen auf der rechten Hand, wenn er jetzt mit
00:28:25: dem L-Wuggen eine Adduktion oder einem Arm eine Adduktion macht, nur dann keine die Finger
00:28:30: beugen. Und dann muss man halt auch ein bisschen Zeit haben, weil dann bist du 5, 6, 7 Jahre bis
00:28:35: halt dabei, die Funktion herzuleiten. Und das kannst du nicht machen, in die du sagst, ich
00:28:41: therapeutisch weiß es besser. Weil du bist halt darauf angewiesen, gerade bei so komplizierten
00:28:46: Patienten, dass du mit denen Hand in Hand arbeitest. Und ja, das macht mir halt persönlich Freude,
00:28:53: weil es halt nicht der Norm entspricht. Und dann hat sich das halt in den jetzigen Settings
00:28:58: gerade noch verstärkt, weil ich halt auch sehr viele Ärzte als Patienten habe und durchaus da
00:29:04: einige Professoren sagen zu ihrem Patienten, gehen sie da und dahin, weil nur die glauben wir,
00:29:09: kann sich mit dem Fall so auseinandersetzen, dass sie da Mehrwert vorn haben. Und ich dann sage so,
00:29:15: ja prima, passt zu mir, ist mein Ding. Und alles, was irgendwie so Norm ist, ist inzwischen fast
00:29:23: schon lange nicht geworden. Also nicht, dass das gleich qualitativ hochwertig behandelt wird,
00:29:29: aber... Also die Neugier ist schon so ein Thema, die dich das, was sich umtreibt. Ja, schon. Und
00:29:38: dann gibt es Ärzte, die schicken dann alle Leute eher zu dir und sagen, Mensch, hör mal, was die
00:29:43: Frau Wiedmann dazu sagen hat. Die nimmt sich gerne Zeit für, ich sag mal, Dinge, die jetzt nicht
00:29:47: dem klinischen Alltag entsprechen. Das ist es nicht, sondern tatsächlich ist es so, ich habe ja jetzt
00:29:53: dadurch, dass ich ja gewachsen bin, dadurch, dass ich ja klein mal angefangen habe mit den Sachen,
00:29:58: die nicht mehr nur Schublade sind, sondern die halt mal so ein bisschen neben der Spur waren.
00:30:01: Aber ich habe halt angefangen, nicht damit auseinandersetzen, habe mir Gedanken gemacht,
00:30:05: so, was hat das für Gesamtauswirkungen auf den Körper? Und habe dann quasi eine große
00:30:11: Expertise angesammelt und transferiert dann quasi gerne Wissen, was ich aus dem einen Bereich habe
00:30:17: und überlegt mir, so könnte das für den anderen Bereich ebenfalls passen. Und wenn es nicht
00:30:21: passt, was muss für Schritte eingeleitet oder was müssen für Schritte eingeleitet werden,
00:30:25: um das dann passend zu machen. Und dann kommt wieder der Patient Y, der sagt so, ja, ich habe
00:30:31: jetzt gerade einen Kreuzband, ob hier gehabt, ich will aber in drei Wochen, fünf Monate surfen gehen.
00:30:37: Passt zwar eigentlich nicht vom Nachbildhandlungschema, aber dann setze ich mich halt mit dem
00:30:42: hin und sage so, okay, gucken wir mal an, was kann er erreichen und sagt ihm dann so, was passt dann?
00:30:47: Was ist machbar? Also tatsächlich bin ich da auch schonungslos ehrlich zu den Patienten, sagt
00:30:53: ihnen einfach, das ist realistisch zu erreichen oder die und die und die Bedingungen sagen einfach nein.
00:30:58: Wenn es um das Fördern von Leuten geht, hast du mir erzählt, du hast neulich einen 50 Kilometer
00:31:03: Marsch gemacht, 50 Kilometer, also nicht jetzt in sieben Tagen. Nein, in einer Nacht. In einer Nacht
00:31:11: gleich. Und da gab es was Besonderes, da hast du ne Patientin mitgenommen? Nein, die Patientin hat
00:31:16: mich tatsächlich mitgenommen und zwar war, ist das eine Patientin, die hat leider vor vielen,
00:31:22: vielen Jahren ziemlich pech gehabt, klassischer Wegeunfall, der aber so schief gelaufen ist,
00:31:27: dass sie inzwischen schon 120 andere OPs hatte, um dieses Problem zu lösen. Es ist nekronische
00:31:32: Schmerzpatientin, die aber dummerweise auch noch einen Keim sich eingefangen hat, mit Spalthotdeckung,
00:31:38: das aber auf Basis dessen nicht funktioniert hat und sie jetzt auch um ihre Schmerzen zu bekämpfen,
00:31:45: mehrere neuere Stimulatoren bekommen hat, die dann sich wieder negativ auf ihre Wahrnehmung
00:31:51: auswirken und die hat letztes Jahr gesagt, Mensch, ich möchte einen Mega-Marsch gehen. Das interessiert
00:31:58: mich, hat sich dann das Go von ihrem neuere Logen und von ihrem Orthopäden geholt und dann haben
00:32:04: wir angefangen zu trainieren und dann ist hier letztes Jahr ihren ersten Mega-Marsch gelaufen,
00:32:08: hat gesagt, hat ganz gut funktioniert, möchte ich gern wieder machen und dann haben wir uns
00:32:13: unterhalten, wenn meine Hündin, die Gwennie so weit ist, dass das machbar ist, dann begleite ich sie
00:32:19: und dann rief sie mich neulich an, hat gesagt so was hast du an dem Wochenende vor, habe ich noch
00:32:24: gesagt nix, jetzt hast du was vor. Wahnsinn, also ein bisschen mehr als Marathon, 50 Kilometer ist
00:32:30: und dann geht es über Nacht. Das war über Nacht. Im Dunkeln Angst. Ja, so kalt war es jetzt nicht und
00:32:37: im Dunkeln Angst habe ich jetzt eigentlich auch nicht, weil ich bin im Naturschutzgebiet groß
00:32:40: geworden und war oft das Nachtrum gestriffen, das ist eher so meine Welt. Isabella, lass mich
00:32:47: noch einmal was zu den Astronauten fragen, wenn die aus dem All wieder kommen, sind die ja eigentlich
00:32:53: schlaff wie Nasser Sack, oder? Nein, also das war mal, inzwischen sind die super gut drauf,
00:32:59: körperlich sind die eigentlich manchmal sogar besser drauf, als vor sie gegangen sind, weil sie
00:33:05: ja die ganze Zeit Sport machen mal. Das einzige Problem, was halt da noch ist, ist dadurch, dass die
00:33:10: zum Teil ein halbes Jahr lang auf die Schwerkraft verzichtet haben, funktioniert das Innenohr nicht
00:33:15: mehr, das heißt, dass Gleichgewicht, die Balance funktioniert nicht mehr so gut, dann funktioniert
00:33:20: die Hand-Augen-Koordination nicht mehr so gut und dann ist es natürlich so, dass sich dadurch die
00:33:25: Haltung verändert und das Problem ist, dass sie gegebenenfalls ja eine Veränderung der
00:33:30: Knochenstruktur bekommen haben und man muss gucken, dass man quasi die Haltung wieder oder die Körperachsen
00:33:37: wieder herstellt, weil die sonst langfristig an gewissen Bereichen eine Entkalkung bekommen,
00:33:42: zum Beispiel im Oberschenkelhals. Also jede Menge Arbeit, um Astronauten fit zu kriegen, fit zu halten
00:33:48: und auch fit zurückzubekommen. Tatsächlich muss man auch sagen, dass die Astronauten ganz viel
00:33:55: selber tun und es geht halt wirklich darum, Hilfe zur Selbsthilfe, weil man muss sie nur ganz,
00:34:00: ganz intensiv füttern, dass sie quasi wissen, das ist das immer wieder beim mündigen Patienten,
00:34:06: wenn ein Patient oder ein Wegbegleiter weiß, was muss ich tun, um das und das und das Problem
00:34:15: abzuwenden, weil ich kann die nicht, wenn die in der ISS sind, kann ich die nicht besuchen gehen,
00:34:20: kann kein Hands-on Technik machen. Das heißt, die müssen im Idealfall wissen, was kann ich selber
00:34:25: tun, damit ich mich bei Problemen regulieren kann. Und das ist quasi die große Herausforderung und
00:34:33: deswegen ist das zum Beispiel auch so gut, dass wir ein anderes Konzept dort installiert haben. Wir
00:34:38: haben das Präventivkonzept installiert, das heißt, die haben das Anrecht, eigentlich regelmäßig
00:34:44: zu Physio zu gehen, auch wenn sie nichts haben, einfach damit man gucken kann, da kommt irgendwas.
00:34:49: Es könnte ein Problem werden, das muss man abwenden, damit die einfach schon auch dieses
00:34:56: Handling lernen, so wie interveniere ich, noch bevor es irgendwie schlimm wird.
00:35:00: Isabella, ich nehme auf jeden Fall ein Begriff von dir mit und der Begriff heißt Neugier. Und wenn
00:35:08: ich mir vorstelle, du würdest heute die Aufgabe haben, junge Therapeuten zu beraten und auszubilden.
00:35:14: Ich meine, was würdest du dem Therapeuten von heute mitgeben? Also sozusagen, was würde die
00:35:19: ältere Erfahrenere Isabella, ihrem jüngeren Ich, heute raten? Also erst mal immer neugierig sein,
00:35:28: immer fragen, ist das denn auch wirklich so? Ich kann mich noch dran erinnern, ich hatte in der
00:35:34: Ausbildung sehr häufig das Problem, das sich so im Kasten gesteckt hat. Das war wichtig und das
00:35:41: war gut am Anfang, weil das hat mir die Sicherheit gegeben, meine Fühle auszustrecken. Es hat mich
00:35:47: zwar stellenweise wirklich genervt und ich kann mich daran erinnern, so nach ein halb Jahren war
00:35:51: ich wirklich so, dass ich da gesessen habe, was soll ich hier. Aber nachdem ich noch nie irgendwas
00:35:57: aufgegeben habe, habe ich gesagt, ich mach das jetzt mal bis zum Ende und dann kann ich mich ja
00:36:00: immer noch entscheiden, was anderes zu machen. Es war gut, dass ich durchgehalten habe, tatsächlich
00:36:05: auch gerade ausbildungsspezifisch durchhalten kann ich nur mitgeben, manchmal zu wirklich
00:36:09: anstrengend und man scheitert auch manchmal, man hat oft das Gefühl, man ist unzulänglich. Aber ich
00:36:20: hatte mal einen sehr tollen Ausbilder, der gesagt hat, egal was ihr an Patienten tut, ihr tut
00:36:25: das nach besten Wissen und Gewissen und nach den besten Möglichkeiten, die ihr habt. Deswegen macht
00:36:30: euch kein schlechtes Gewissen, weil in der Physiotherapie ganz häufig so diese Situation da ist,
00:36:34: dass man nicht genug ist. Und das ist man aber. Man darf sich nicht hinsetzen im Ausbrunnen,
00:36:41: weil wenn man seinen Schärflein dazu gibt, dann ist das ganz wichtig und man darf halt
00:36:48: tatsächlich auch nicht Physiotherapie als 08/15 Job ansehen, sondern das sind Menschen, das sind
00:36:53: in den Videoen mit ihrem Problemen, mit ihren Eigenheiten, die auf ganz unterschiedlicher Ebene
00:36:59: Beratung brauchen und wenn man bereit ist, sich auf diese Menschen einzulassen, dann kann man
00:37:04: richtig einen tollen Job machen und kann Menschen Flügel zurückgeben, die eigentlich gebrochen
00:37:10: waren. Flügel im wahrsten des Wortes Isabella Wiedmann, Physiotherapeutin für die Astronautenkohor
00:37:17: der European Space Agency. Isabella, vielen, vielen Dank für deine Zeit, dass du auch extra aus
00:37:21: Köln gekommen bist, damit wir das hier in München aufnehmen können. Ja, und ihr seht, die Physiotherapie
00:37:25: ist ein unfassbar vielfältiger Beruf mit Flügel und auch ohne Flügel. Und in diesem Sinne,
00:37:31: Isabella, vielen Dank, möge die Macht mit dir sein. Ich habe das an dieser Stelle, dachte ich,
00:37:37: passt der Satz besonders gut. In diesem Sinne, vielen Dank auch an unseren Staffel-Schwonser
00:37:42: OptaData. Ich danke auch dem Julian Nehlibel an den Kameras, dem Alex Eisenreich an den Tonregler,
00:37:47: an der Katharina Mut im Tonschnitt, dem Flo Beisser im Mediasales und den ganzen anderen fleißigen
00:37:51: Fläumlingen aus der PT-Redaktion hier bei uns in München. In diesem Sinne, das war's für heute.
00:37:57: Vielen, vielen, vielen Dank für deine Zeit. Und ciao.